„Heimatvertriebene setzten Akzente für Demokratie und vereintes Europa“

70 Jahre Parlamentarischer Rat

Vor 70 Jahren trat in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen. Der Landtag NRW widmet diesem Jubiläum eine Ausstellung, die am 28. Juni 2018 eröffnet wird. Dazu erklären die stellvertretenden Vorsitzenden der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung (OMV) der CDU Nordrhein-Westfalen Maria-Theresia van Schewick und Stephan Krüger:
 

„Als das vom Krieg zerrüttete Deutschland wirtschaftlich und moralisch am Boden lag, standen in Bonn am Rhein Frauen und Männer auf und machten sich daran, für ein neues und demokratisches Deutschland eine Verfassungsordnung zu erarbeiten. Unter diesen Frauen und Männern waren auch Persönlichkeiten aus den deutschen Ostprovinzen, die 1945 unter polnische Verwaltung gestellt worden waren. An dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – es sollte eigentlich ein Provisorium werden – arbeiteten insbesondere zwei Vertreter aus der nordrhein-westfälischen Paten- und Partnerregion Oberschlesien. Hans-Christoph Seebohm kam aus Emanuelssegen in Landkreis Pleß. Der Christdemokrat und spätere Bundesminister sowie Vizekanzler weist bis heute die längste ununterbrochene Amtszeit als Bundesminister auf. Im Parlamentarischen Rat hat er die These vertreten, dass sich das verfassungspolitische Handeln, aufbauend auf der Idee des Föderalismus, an der Errichtung eines europäischen Staatenbundes orientieren müsse. Für ihn waren nicht mehr Grenzverschiebungen, sondern deren Aufhebung das Ziel. Das war schon damals ein starker Gedanke in Richtung eines vereinten Europa ohne Grenzen, den Helmut Kohl später, wie kaum ein anderer weiterverfolgt hat. Sein sozialdemokratischer Landsmann Willibald Mücke aus Buchenhöh im Landkreis Groß Strehlitz zielte stark auf den Begriff der Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen. Daher setzte er sich stark für ein, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge auch umfassend auf der Seite des Bundes liegen sollten. Auf ihn geht auch die in Art. 3 Abs. III GG enthaltene Wendung zurück, dass niemand "wegen seiner Heimat und Herkunft" benachteiligt werden darf. Hans-Christoph Seebohm und Willibald Mücke, genauso wie andere Mitglieder des parlamentarischen Rates, die aus dem ehemaligen deutschen Osten kamen, stehen damit für das, was viele Millionen Vertriebener und Flüchtlinge nach der Ankunft in ihrer neuen Heimat gemacht haben: Sie sind aufgestanden und haben kräftig angepackt. Trotz der frischen, traumatisierenden Erfahrungen von Flucht, Vertreibung und Heimatverlust haben sie den Blick in die Zukunft gerichtet und dieses in Trümmern liegende Land wieder aufgebaut sowie Grundsteine für ein friedliches, vereintes Europa gelegt. Wenn der Landtag Nordrhein-Westfalen am 28. Juni 2018 an den Zusammentritt des Parlamentarischen Rates erinnert und aus diesem Anlass eine Ausstellung eröffnet, ist es absolut angebracht, nicht nur an die herausragenden Persönlichkeiten im Parlamentarischen Rat zu erinnern, die aus dem ehemaligen deutschen Osten kamen, sondern auch insgesamt an den großen Beitrag der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge zum Aufbau unseres Landes zu würdigen.“

Hintergrund:


Im Juni 1948 überreichten daher die Westalliierten den westdeutschen Ministerpräsidenten die "Londoner Empfehlungen". Damit waren die Weichen für einen westdeutschen Teilstaat gestellt. Am 1. September 1948 traten in Bonn 65 Frauen und Männer zum "Parlamentarischen Rat" zusammen um das Grundgesetz zu erarbeiten. Aus den deutschen Ostprovinzen, die nach 1945 unter polnische Verwaltung gestellt wurden, waren zwei Oberschlesier dabei. Das Land Nordrhein-Westfalen hat 1964 eine Patenschaft über die Landsmannschaft der Oberschlesier und die in der Bundesrepublik lebenden Oberschlesien übernommen. Zusätzlich besteht seit 2000 eine Partnerschaft mit der oberschlesischen Woiwodschaft Schlesien. Insgesamt stammten sieben Mitglieder des Parlamentarischen Rates aus den deutschen Ostprovinzen: Gerhard Kroll (Breslau, Niederschlesien) Hermann Runge (Konradsthal, Niederschlesien) Paul Löbe (Liegnitz, Niederschlesien) Willibald Mücke (Buchenhöh/Groß Strehlitz, Oberschlesien) Hans-Christophn Seebohm (Emanuelssegen/Pleß, Oberschlesien) Rudolf Katz (Falkenburg, Pommern) Max Reimann (Elbing, Westpreußen).

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